Es ist selten, dass Anwälte in eigener Sache prozessieren. Umso mehr freuen wir uns über unseren jüngsten Erfolg vor Bundesgericht: Das Bundesgericht hat unseren Anspruch auf Zustellung von nicht anonymisierten Urteilen im Bereich der Spezialitätenliste gutgeheissen.
Warum ist dieser Entscheid so bedeutend?
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat den Auftrag, die Preise der von der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) vergüteten Arzneimittel periodisch zu überprüfen. Zu diesem Zweck vergleicht es mit den Preisen im Ausland (Auslandpreisvergleich, APV) und mit anderen Arzneimitteln zur Behandlung derselben Krankheit (therapeutischer Quervergleich, TQV). Die Einzelheiten für die gesetzlich verlangte Preisüberprüfung werden in den Ausführungsverordnungen zum Krankenversicherungsgesetz (KVG) geregelt, doch viele Fragen sind ungeklärt. In einer Vielzahl von Entscheiden hat sich die Rechtsprechung mit der Durchführung der Preisüberprüfung befasst und wichtige Fragen zur Methodik entschieden.
Doch wer hoffte, in diesen Urteilen Aufschluss über die korrekte Durchführung der Preisüberprüfung zu finden, wird enttäuscht. Das Bundesverwaltungsgericht anonymisiert seine Urteile derart weitgehend, dass diese für interessierte Dritte kaum verständlich sind. So werden nicht nur die Namen der Zulassungsinhaberinnen und der von einer Preissenkung betroffenen Arzneimittel geschwärzt, sondern alle weiteren Informationen, welche Rückschlüsse auf die Identität der Beschwerdeführerin erlauben könnten, beispielsweise Name des Wirkstoffes, Indikationen, Dosierung, Packungsgrösse oder entsprechende Informationen von anderen Arzneimitteln, die für den Preisvergleich beigezogen werden. Die Folge dieser sehr weitgehenden Urteilsanonymisierung ist, dass die gerichtliche Begründung weitgehend unverständlich ist.
Nehmen wir als Beispiel das Urteil C-6598/2018 vom 8. April 2022. In diesem Urteil war u.a. umstritten, wie bei Arzneimitteln mit mehreren Indikationen die für die Durchführung des therapeutischen Quervergleichs relevante Hauptindikation bestimmt werden soll. Das Bundesverwaltungsgericht kam zum Schluss, dass diese nicht korrekt bestimmt worden sei und weist das BAG an, diesen nach folgenden Kriterien durchzuführen (E. 8.4.2 – leicht gekürzt, Ausführungen in Klammern weggelassen):
Die Notwendigkeit einer derart weitgehenden Anonymisierung ist umso weniger gerechtfertigt, als dass das BAG die von einer Preissenkung betroffenen Arzneimittel sowie die Unternehmen, die dagegen Beschwerde führen, namentlich publiziert. Es ist deshalb schwer nachvollziehbar, wo hier noch ein Bedürfnis nach Schutz der Privatsphäre bestehen sollte.
Aufgrund der weitgehenden Urteilsanonymisierung ist es für Dritte aber schwierig, wenn nicht unmöglich, die Überlegungen des Gerichts nachzuvollziehen und dessen Rechtsprechung zu verstehen.
Aus diesem Grund haben wir gegen diese Urteilsanonymisierungspraxis opponiert. Das Bundesgericht hat unseren Anspruch gut geheissen und das Bundesverwaltungsgericht angewiesen, die Urteile in nicht anonymisierter Form zugänglich zu machen.
Nehmen Sie mit uns Kontakt auf
Streichenberg Rechtsanwälte unterstützen Pharmaunternehmen in der Aufnahme und Überprüfung von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste. Wir verfügen über langjährige Erfahrung in der Anwendung der Aufnahmekriterien und der Durchführung des Auslandpreisvergleiches und des therapeutischen Quervergleiches. Der Zugang zu nicht-anonymisierten Urteilen soll die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Preisüberprüfung verbessern. Mit unserer Beschwerde haben wir einen Beitrag geleistet, damit die Überlegungen der Rechtsprechung auch für Dritte nachvollziehbar sind.