Das schweizerische Krankenversicherungsrecht unterliegt dem Territorialitätsprinzip: Von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen darf die obligatorische Krankenpflegeversicherung nur Leistungen vergüten, die von einem zugelassenen Leistungserbringer in der Schweiz erbracht worden sind.
Das Territorialitätsprinzip gilt auch für medizinische Laboranalysen. Vorbehältlich der in der Analysenliste vermerkten genetische Analysen dürfen Krankenkassen keine Laboruntersuchungen vergüten, die im Ausland durchgeführt wurden. Dies unabhängig von der rechtlichen Organisation des Labors und den durch die Durchführung im Ausland erwirkten Einsparungen.
Nicht im Widerspruch zum Krankenversicherungsrecht handelt ein Labor, das Diagnostika im benachbarten europäischen Ausland günstig einkauft, die Untersuchungen dann aber nach den höheren, in der Schweiz geltenden Vergütungen abrechnet.
Indem die Schweizer Preise der für die Untersuchung benötigten Hilfsmittel in den Tarifen der Analysenliste eingerechnet sind, gehen die aus dem Kauf im Ausland resultierenden Preisvorteile zugunsten des Laborbetreibers.
Patentrecht
Die Entwicklung von neuen Testverfahren und Diagnostika ist technologisch aufwändig. Das Patentrecht gibt Herstellern die Möglichkeit, ihren Innovationsaufwand abzusichern. Zu diesem Zweck verleiht das Patentrecht dem Patentinhaber das ausschliessliche Recht, eine geschützte Vorrichtung herzustellen und erstmals in Verkehr zu bringen. Dasselbe gilt für patentgeschützte Verfahren und die dafür benötigten Mittel.
Die patentrechtlichen Befugnisse sind auf das erstmalige Inverkehrbringen beschränkt. Dadurch soll verhindert werden, dass Patentinhaber die Preise von Produkten kontrollieren können, die von ihnen oder mit ihrer Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Der Gesetzgeber hat die Geltung des erstmaligen Inverkehrbringens auf das Gebiet der Europäischen Union ausgeweitet. Dies erlaubt es Dritten, patentgeschützte Produkte ohne die Zustimmung des Patentinhabers im europäischen Ausland einzukaufen und selber in die Schweiz zu importieren.
Von diesem Grundsatz ausgenommen sind Arzneimittel. Patentgeschützte Arzneimittel dürfen nur vom Patentinhaber in die Schweiz eingeführt werden. Ohne dessen Zustimmung dürfen Dritte keine patentgeschützten Arzneimittel in die Schweiz importieren. Dies auch dann nicht, wenn der Einkauf im benachbarten europäischen Ausland erfolgt.
Diese Ausnahme ist nicht auf Arzneimittel beschränkt. Das Patentgesetz spricht von patentgeschützten Waren, deren Preis "im Inland oder im Land des Inverkehrbringens staatlich festgelegt ist". Mit dieser Formulierung wollte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen, dass die Ausnahme nicht auf Arzneimittel beschränkt ist, sondern für alle Produkte gilt, deren Preise staatlich reguliert sind. Dies obwohl in den parlamentarischen Beratungen ausschliesslich von Arzneimitteln die Rede war.
Auswirkungen auf Diagnostika
Infolge der offenen Formulierung ("staatlich festgelegte Preise") stellt sich die Frage, inwiefern die patentrechtlichen Einfuhrbeschränkungen auch für Diagnostika und andere für die Untersuchung benötigte Hilfsmittel gelten. Die Antwort ergibt sich aus der Natur der Analysenliste.
In der Analysenliste legt das EDI die Vergütung für ambulante Laboruntersuchungen fest. Im Unterschied zur Spezialitätenliste regelt diese die Preise für eine Leistung (Untersuchung) und nicht für ein Produkt (Arzneimittel). Das Patentgesetz spricht aber von staatlich festgelegten Preisen von "Waren" und nicht von den damit erbrachten Leistungen.
Wichtiger als die Unterscheidung zwischen Produkt und Leistung ist die Natur der staatlichen Preisfestlegung: Die Analysenliste schreibt die für die Untersuchung zu verwendenden Reagenzien nicht vor. Auch die Rubrik "Analysentechnik" enthält keine Beschränkung auf bestimmte, für die Untersuchung zu verwendende Diagnostika. Damit werden die Preise weder von Reagenzien noch von anderen, für die Untersuchung zu verwendenden Hilfsmittel staatlich festgelegt – jedenfalls nicht in der Schweiz. Entsprechend kommen die patentrechtlichen Einfuhrbeschränkungen auf Diagnostika nicht zur Anwendung. Dies im Unterschied zu den patentgeschützten Arzneimitteln. Unzulässig ist allein die Einfuhr aus europäischen Drittländern.*
*Nicht berücksichtigt sind die Auswirkungen, falls das Abkommen mit der Europäischen Union über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen nicht aktualisiert werden sollte. Dies hätte zur Folge, dass die Schweiz ab dem 26. Mai 2021 den Regelungen eines Drittstaates unterworfen wird. Entsprechendes gilt umgekehrt auch für Einfuhren aus der Europäischen Union. Die MepV sieht dafür komplexe Übergangsfristen vor, die gegenwärtig allerdings überarbeitet werden. Wir werden über die Auswirkungen in einer separaten Publikation informieren, sobald die definitiven Übergangsbestimmungen bekannt sind.