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Analysenliste: Wie steht es um die Mitbestimmung bei den Labortarifen?

Nach einer Gesamtrevision der Analysenliste hat das EDI begonnen, die Tarife für Laborleistungen zu reduzieren. Die ersten Änderungen betreffen molekularbiologische Analysen. Welche Mitwirkungs- oder Anhörungsrechte haben Laborbetreiber bei der Festsetzung der Labortarife?

02.11.2020 Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

Gemäss Medienmitteilung vom 13. Oktober 2020 will das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) die Vergütung für molekularbiologische Analysen um bis zu 45 Prozent senken. Dadurch soll der technologischen Entwicklung Rechnung getragen werden, die es erlaubt, mehrere Mikroorganismen gleichzeitig zu testen. Von den Änderungen nicht betroffen sind SARS-CoV-2 Analysen. Die Änderungen sollen auf den 1. Dezember 2020 in Kraft treten.

Den Änderungen der Labortarife ist eine Gesamtrevision der Analysenliste vorausgegangen. Ende Juni 2020 hat das EDI eine überarbeite und an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Labortechnik angepasste Liste veröffentlicht und ein Handbuch dazu erlassen. Die überarbeitete Analysenliste wird am 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Gibt es Mitwirkungsrechte?

In der Vergangenheit wurde verschiedentlich die Auffassung vertreten, dass das EDI die Labortarife im Alleingang festlegen dürfe – den Laborbetreibern stehe kein Mitspracherecht zu. Insbesondere würden diesen keine Rechtsmittel zustehen. Dies weil die Analysenliste als Anhang zu einer Verordnung veröffentlicht werde. Da eine Beschwerde gegen eine Verordnung unzulässig sei, müsse entsprechendes auch für die als Anhang 3 zur Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) veröffentlichte Analysenliste und den dort festgelegten Tarifen gelten.

Auch das Bundesverwaltungsgericht scheint diese Auffassung zu teilen. In einem Urteil zum TARMED weist es darauf hin, dass Tariffestsetzungen nicht beim Bundesverwaltungsgericht anfechtbar seien, soweit sie einen der Vertragsfreiheit vollständig entzogenen Bereich betreffen. Als Beispiel nennt das Gericht die Analysenliste. Gerichtlich ist die Frage aber nicht entschieden. Ein eindeutiges Präjudiz fehlt.

Rechtlich vermag diese Begründung nur teilweise zu überzeugen: Bei einer Änderung der Labortarife richtet sich die Beschwerde nicht gegen die Analysenliste als solche, sondern gegen die in der Analysenliste festgelegten Vergütungen. Dieser Unterschied ist entscheidend, was durch den Vergleich mit der Spezialitätenliste bestätigt wird. Auch bei den Arzneimitteln der Spezialitätenliste sind die Zulassungsinhaber eines Arzneimittels nur zur Beschwerde gegen die konkrete Preisreduktion berechtigt, nicht aber gegen die Spezialitätenliste als solche.

Analogien zur Spezialitätenliste?

Gerade im Vergleich mit den Arzneimitteln der Spezialitätenliste ist die fehlende Beschwerdebefugnis von Laborbetreibern gegen Tarifsenkungen unbefriedigend: Die krankenversicherungsgesetzlichen Grundlagen für Analysen und Arzneimittel sind weitgehend identisch. Wie die Analysenliste ist auch die Spezialitätenliste eine Positivliste, in der alle von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergüteten Leistungen aufgeführt werden. Gleich wie der Analysenliste sind die Preise der Spezialitätenliste Höchstpreise, die in einer Liste veröffentlicht werden. Wie die Analysenliste ist auch die Spezialitätenliste ein Amtstarif bzw. ein behördlich erlassener Tarif, bei dem die Bundesbehörden die Höhe der Vergütung festlegen. Dadurch unterscheiden sich die Analysen und Spezialitätenliste von den Tarifverträgen, die unter den Tarifpartnern ausgehandelt werden, beispielsweise dem Tarmed.

Ein Unterschied besteht aber nach der Art der vergüteten Leistung: Anders als die Laborbetreiber sind die Hersteller und Zulassungsinhaber eines Arzneimittels keine Leistungserbringer. Bei der Spezialitätenliste wird keine Leistung, sondern ein namentlich bezeichnetes Produkt vergütet. Demgegenüber bezieht sich die Analysenliste auf eine Leistung, die nur nach Art der Analyse bestimmt ist. Die Leistung kann von jedem als Leistungserbringer zugelassenen Labor abgerechnet werden. Aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage haben Labore also ein Beschwerderecht gegen Tarifsenkungen, wie Arzneimittelhersteller, noch ein Mitspracherecht in Tarifverhandlungen, wie Leistungserbringer.

Gesetzesänderung als Alternative?

Zur Änderung dieser unbefriedigenden Rechtslage sind im Parlament verschiedene Vorstösse hängig, die den Laborbetreibern Mitwirkungsrechte beim Aushandeln der Labortarife einräumen sollen. Gleich wie für die ambulanten ärztlichen Leistungen soll auch für medizinische Analysen die Tariffreiheit gelten. Der Bundesrat äusserte sich zunächst kritisch. Tarifverhandlungen seien anfällig für Blockaden. Beim Tarmed hätte er die Tarifstruktur wiederholt selber anpassen müssen, weil sich die Tarifpartner nicht einigen konnten. Eine ähnliche Entwicklung befürchte der Bundesrat auch im Laborbereich. Diese Gefahr sei umso ausgeprägter, als dort eine Vielzahl von Tarifpartnern mit unterschiedlichen Interessen involviert seien.

Die Einführung der Tariffreiheit im Laborbereich setzt eine Gesetzesänderung voraus. Mangels Beschwerderecht ist der entsprechende Vorstoss zu begrüssen, auch wenn es noch Jahre dauern kann, bis diese umgesetzt ist. Auf die jetzt angekündigten Tarifsenkungen wird dies keinen Einfluss mehr haben.

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