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Pharmaceuticals and healthcare

Wirtschaftlichkeits- prüfung 2018

Anders als bei oralen Arzneimitteln ist bei topischen Arzneimitteln häufig kein direkter Grammvergleich möglich um die Tagestherapiekosten zu bestimmen. Das BAG trifft deshalb Annahmen über die täglich anzuwendende Menge um den therapeutischen Quervergleich durchzuführen. Diese Vorgehensweise ist unzulässig. Auszugehen ist von den Dosierungen der Fachinformation. Diese sind selbst dann massgebend, wenn die Fachinformation keine Grammangaben macht und die Menge nur approximativ bestimmt werden kann, beispielsweise: 2-3 x täglich in einem 5-10 cm langen Strang.

05.03.2019 Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

Unbestimmte Anwendungsanweisungen

Für äusserlich anzuwendende Arzneimittel wie Salben, Cremen oder Gels wird die für eine Behandlung erforderliche Menge häufig nicht oder nur sehr unbestimmt angegeben. Vielfach ist der Fachinformation nur zu entnehmen, dass das Arzneimittel „mehrmals täglich dünn auf die erkrankten Partien und deren Umgebung aufzutragen“ und „je nach gewünschter Wirkungsintensität mehr oder weniger kräftig einzureiben“ sei. Derartig unbestimmte Anwendungsangaben erschweren die Durchführung des therapeutischen Quervergleichs (TQV). Massgebend für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit sind die Therapiekosten pro Tag oder Kur. Doch wie sollen diese bestimmt werden, wenn die Anwendung „mehrmals täglich“ durch „dünnes“ Auftragen „auf die erkrankten Partien und deren Umgebung“ und durch „mehr oder weniger kräftiges Einreiben“ erfolgen soll? Anders als bei Tabletten ist deshalb bei topisch anzuwendenden Arzneimitteln kein direkter Grammvergleich möglich. Aus diesem Grund will das BAG nicht auf die in der Fachinformation angegebene Dosierung abstellen. Stattdessen trifft es Annahmen über die tägliche Therapiemenge und bestimmt die Therapiekosten abstrakt. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Praxis aber unzulässig (Bundesverwaltungsgericht, Urteil C-595/2015 vom 19. Juni 2018).

Assan zur Illustration

Assan ist ein topisch anzuwendendes Arzneimittel für die Behandlung von rheumatischen Beschwerden, schmerzhaften und entzündlichen Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates sowie stumpfen Verletzungen wie Prellungen oder Verstauchungen. Gemäss Fachinformation ist Assan 2-3-mal täglich in einem 5–10 cm langen Strang anzuwenden.

TB

Tabelle: Vergleichsarzneimittel der IT Gruppe 07.10.4: Anwendungsangaben gemäss Fachinformation

Eine Grammangabe fehlt. Um diese zu berechnen wären weitere Informationen erforderlich gewesen, wie beispielsweise der Tubendurchmesser. Das BAG wollte deshalb für alle Vergleichsarzneimittel auf einen abstrakten Grammvergleich abstellen.

 

Für die Wirtschaftlichkeitsprüfung waren die Parteien sich einig, dass der TQV mit allen Originalpräparaten der IT Klasse 07.10.40 durchgeführt werden sollte, die für die Behandlung von Arthritis und rheumatischen Erkrankungen zugelassen waren. Nach Auffassung der Zulassungsinhaberin sollte sich der TQV aber auf diejenigen Arzneimittel beschränken, wo die Tagesdosierung genau angegeben war. Demgegenüber wollte das BAG alle Arzneimittel berücksichtigen – unabhängig davon, ob genaue Dosierungsangaben der Fachinformation zu entnehmen waren oder nicht. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich, dass nicht nur ausgewählte Produkte in den TQV einbezogen werden könnten. Dieses Vorgehen entspreche der etablierten Praxis des BAG. Das Handbuch enthalte keine Beschränkung, wonach nur Arzneimittel mit präzisen Dosierungsangaben als Vergleichsarzneimittel zu berücksichtigen seien.

Entsprechend diesen Vorgaben führte das BAG den TQV für Assan mit 15 Arzneimitteln durch. Dies obwohl die Fachinformationen für 7 Arzneimittel keine Angaben zur Anwendungshäufigkeit enthielten („mehrmals“). Von den vom BAG berücksichtigten Arzneimitteln ist eines heute nicht mehr auf der SL und für zwei weitere wurde der Vertrieb in der Schweiz eingestellt.

Fachinformation als Ausgangspunkt

Für das Bundesverwaltungsgericht war die Fachinformation massgebend. Die Zulassung eines Arzneimittels ist auf definierte Indikationen oder Anwendungsgebiete beschränkt, die von Swissmedic hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit geprüft werden. Der Prüfung unterliegen auch die Arzneimittelinformationen. Die Aufnahme in die Spezialitätenliste erfolgt in den Grenzen der von Swissmedic zugelassenen Indikationen und Anwendungsvorschriften. Aus diesem Grund war das Bundesverwaltungsgericht der Auffassung, dass die Fachinformation die Grundlage für die Bestimmung der Tagestherapiekosten sein muss – soweit dieser Angaben über die anzuwendende Menge zu entnehmen sind. Dafür sind keine genauen Grammangaben erforderlich. Angaben wie „2-3 x täglich“ oder „5-10 cm langer Strang“ erachtete das Bundesverwaltungsgericht als ausreichend, um gestützt darauf, die Tagestherapiekosten zu bestimmen. Damit bestand kein Raum mehr für eine „praxisnahe“ Annahme der durchschnittlichen Tagestherapiekosten.

Enthalten die Fachinformationen keine genauen Dosierungsvorschriften, beispielsweise weil die Anwendungshäufigkeit mit „mehrmals täglich“ umschrieben wird, können die Tagedosis und damit die Kosten nur approximativ bestimmt werden. Für diesen Fall erachtete das Bundesverwaltungsgericht es als zulässig, wenn das BAG Annahmen über die Dosierung trifft. Diese müssen jedoch sachgerecht und nachvollziehbar sein und vom BAG einlässlich begründet werden.

Annahmen nachvollziehbar und begründet

Das BAG ging pauschal von einer Tagesdosierung von 5 Gramm aus. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts erfüllt diese Annahme die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit nicht. Insbesondere habe das BAG nicht ausreichend begründet, warum diese Annahme praxisnah sei. Die Tagesdosis hänge auch von der Konsistenz des Präparates ab (flüssig/weniger flüssig). Es sei deshalb denkbar, dass der Patient auf dieselbe Körperstelle weniger oder mehr Substanz aufträgt. Deshalb wies das Bundesverwaltungsgericht das BAG an, ergänzende Abklärungen vorzunehmen.

Mit seinem Urteil gesteht das Bundesverwaltungsgericht ein, dass Annahmen zur Bestimmung der Tagestherapiekosten erforderlich sind, wenn es an präzisen Anwendungsvorschriften fehlt. Dieses Eingeständnis wirft die Frage auf, wie die Wirtschaftlichkeit dieser Arzneimittel ursprünglich beurteilt wurde. Bereits bei der Aufnahme in die SL konnte mangels präziser Dosierungsangaben nicht beurteilt werden, ob das Arzneimittel zweckmässig und wirtschaftlich war.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie diese Arzneimittel überhaupt je zugelassen werden konnten: Sind die für eine Therapie erforderlichen Mengen weder bestimmt noch bestimmbar, so erscheint es fraglich, wie bei der Zulassung die Sicherheit und Wirksamkeit beurteilt werden konnten. Immerhin sind diese Arzneimittel in der Abgabekategorie C eingeteilt – die Abgabe erfordert also zumindest eine Beratung durch eine Medizinalperson. Doch wie soll die Medizinalperson ihre Beratungspflicht erfüllen können, wenn die Fachinformation weder die Menge noch die Häufigkeit der Anwendung bestimmt?

 

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