Guten Tag, Herr Stauffacher. Sie sind Anwalt für Verwaltungsrecht – warum haben Sie sich für dieses Rechtsgebiet entschieden?
Mich faszinierte öffentliches Recht schon im Studium. Ich fand den Stoff zwar oft anspruchsvoll, und es ist nicht immer einfach zu erkennen, wie ein Fall anzugehen ist. Diese Herausforderung aber reizten mich. Ich lernte viel über juristische Methodik, und wie wichtig es ist, verständlich und stringent zu argumentieren. Man muss die Praxis von Behörden und Gerichten gut kennen und zu vielen Themen im Verwaltungsrecht gibt es nur wenig Literatur.
Kenntnisse des Verwaltungsrechts sind mir in meiner Tätigkeit als Anwalt sehr hilfreich. Im Gesundheitsrecht, im Datenschutzrecht, im Bildungsrecht oder im öffentlichen Personalrecht stellen sich regelmässig Fragen, wie:
«Gibt es eine gesetzliche Grundlage für das Vorgehen einer Behörde?» «Ist eine Regelung verhältnismässig und wurde das Gebot der Gleichbehandlung beachtet?» «Wurde das rechtliche Gehör gewährt, das heisst, konnten Betroffene eines Behördenentscheids sich zur Sache äussern?»
Mit welchen Anliegen kommen Mandanten zu Ihnen?
Da gibt es ganz unterschiedliche Fälle. Ich führe regelmässig Verfahren gegen Bildungsinstitutionen (wie die ETH, Universitäten oder Gymnasien). In diesen Verfahren geht es darum, ob Prüfungen korrekt durchgeführt oder ob Disziplinarmassnahmen zu Recht angeordnet wurden. Wir erhalten auch regelmässig Anfragen zum öffentlichen Personalrecht bei Kündigungen, Mobbingfällen oder Anpassungen von internen Reglementen, die Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben.
« Wenn man sich gegen einen Entscheid einer Behörde wehren will, sollte man frühzeitig professionellen Rat einholen. »
Ein weiteres Gebiet ist das Gesundheitsrecht. Hier unterstützen wir Klienten dabei, Geschäftsmodelle zu prüfen. Ist es zum Beispiel zulässig eine Software zu entwickeln, mit der ich Gesundheitsdaten erfassen kann wie den Herzschlag, Krankheitssymptome oder sogar genetische Daten? Wer darf diese Daten auswerten? Braucht es für eine solche Software eine Zulassung? Und wie ist mit den Gesundheitsdaten umzugehen? Wer darf diese einsehen? Hier kommt es oft auch zu Überschneidungen mit anderen Gebieten wie dem Datenschutzrecht oder den Berufspflichten von Ärzten und Apothekern. Weiter unterstützen wir Klienten und Klientinnen bei der Einholung von Berufsausübungsbewilligungen oder Bewilligungen für Spitexorganisationen.
Was sollten Mandanten im Falle verwaltungsrechtlicher Schwierigkeiten tun – und was nicht?
Wenn man sich gegen einen Entscheid einer Behörde wehren will, sollte man frühzeitig professionellen Rat einholen. So kann man allenfalls schon vor dem Erlass eines Entscheids einiges bewirken und teure Rekurs- und Beschwerdeverfahren vermeiden. Wenn ein Laie selbst Einsprache erhebt oder eine Beschwerde führt, ist es gut möglich, dass es zu Fehlern kommt, die im Nachhinein nicht mehr behoben werden können.
Als Anwalt habe ich den Sachverhalt genau abzuklären. Welche Behörde hat entschieden? Was hat sie entschieden und liegt eine schriftliche Begründung vor? Und am wichtigsten: ist eine Frist zu beachten?
Kurz: die richtigen Argumente müssen zum richtigen Zeitpunkt vorgebracht werden – manchmal ist es dann «zu spät», wenn Klienten erst in zweiter Instanz einen Anwalt beiziehen.
Schulrecht und Bildungsrecht: Welches sind hier typische Fälle und die Möglichkeiten, wenn etwas in der Schule schiefläuft?
Hier stellt sich immer wieder die Frage, ob Prüfungen korrekt durchgeführt wurden. Wurde der zu prüfende Stoff abgefragt? Wurde die Prüfung korrekt korrigiert, stimmt die Korrektur mit der Musterlösung überein? Hat jemand mit derselben Antwort mehr oder weniger Punkte erhalten? Wurde jemand zu Unrecht beschuldigt, bei einer Prüfung unzulässig Mittel verwendet zu haben (Abschreiben oder Plagiate)?
Dann gibt es Streitigkeiten bei der Zuteilung zu einer Schule, wenn ein Kind einen zu langen Schulweg erhält, oder ein Kind hat besondere Bedürfnisse und braucht deshalb ein Sondersetting.
Enteignungen: Was muss man als Grundeigentümer beachten oder tun, wenn bspw. die Gemeinde in das Eigentum eingreift?
Das Eigentum wird in der Verfassung garantiert. Nach der Rechtsprechung sind Eigentumsbeschränkungen nur zulässig, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und, sofern sie in der Wirkung einer Enteignung gleichkommen, gegen Entschädigung erfolgen.
Eine Enteignung setzt ein formelles Verfahren voraus, in dem zum Beispiel eine Gemeinde das Land für den Bau einer Strasse formell enteignet und den betroffenen Grundeigentümer entschädigt, bevor sie mit dem Bau beginnen darf. Dem Grundeigentümer ist zu raten, sich aktiv am Verfahren zu beteiligen. Dabei ist zu prüfen, ob die Enteignung zulässig ist und sofern dies der Fall ist, wie die Entschädigung zu berechnen ist. Diese ist oft umstritten, da es bei der Höhe der Entschädigung um eine Ermessenfrage geht. Solche Ermessenfragen können von Gerichten geprüft werden, weshalb ein Verfahren durchaus sinnvoll sein kann.
Mandanten loben vor allem die gute Verständlichkeit Ihrer Rechtsberatung. Was ist Ihnen bei der Kommunikation mit Ihren Mandanten besonders wichtig?
Von Anfang an transparent und klar zu kommunizieren. Oft werden die Dauer und die Kosten von strittigen Verfahren unterschätzt. Eine Behörde kann jahrelang prozessieren und hat manchmal auch ein Interesse daran, eine strittige Praxis gerichtlich prüfen zu lassen. Ein Privater muss hierzu viel Geld und Zeit aufwenden und Verfahren über mehrere Instanzen führen. Oft rate ich Klienten auch von einem juristischen Vorgehen ab, wenn ich merke, dass der Aufwand sich kaum lohnt oder ein erhebliches Prozessrisiko besteht.
Wo sehen Sie die Vorteile der Online-Rechtsberatung für Ihre Mandanten?
Oft melden sich Klienten «zu spät» bei einem Anwalt, da sie denken, es sei zu teuer oder ihr Fall sei zu wenig relevant. Bei Online-Anfragen habe ich den Eindruck, dass die Hemmschwelle tiefer liegt. Das hilft, da so rasch und einfach beurteilt werden kann, ob an einem Fall etwas «dran» ist oder ob es sich nicht lohnt, juristisch vorzugehen.
Was möchten Sie Rechtsuchenden im Verwaltungsrecht abschliessend mit auf den Weg geben?
Das eigene Bauchgefühlt ist ein guter Ratgeber. Wenn man den Eindruck hat, dass da doch «etwas nicht stimmt» mit einem Entscheid - dann ist es sehr gut möglich, dass eine Einsprache oder Beschwerde erfolgreich sein könnte.