Vor wenigen Tagen hat die FINMA ein neues Rundschreiben publiziert. Nach eigenen, immer wieder bekräftigen Angaben will die FINMA mit ihren Rundschreiben nicht rechtssetzend wirken, sondern lediglich ihre Verwaltungspraxis festlegen. Das ist an sich begrüssenswert, trägt es doch zur Rechtssicherheit bei.
Aber die Frage ist erlaubt: Entspricht die «Selbstdeklaration» der Aufsichtsbehörde der Wahrheit oder geriert sich der Regulierer nicht doch als «dritte Kolonne» der Gesetzgebung hinter Parlament und Bundesrat?
Das neue FINMA-RS 2025/2 befasst sich nur mit einigen wenigen Teilaspekten des FIDLEG, nämlich
- spezifischen Informationspflichten gegenüber Kunden
- Teilbereichen der Angemessenheits- und Eignungsprüfung
- einzelnen Typen von Finanzinstrumenten, konkret
- Contracts for Differences, und
- «eigene Finanzinstrumente»
- spezifischen Arten von Interessenkonflikten
- einer einzelnen Anlagetechnik («Securities Lending»)
- Detailaspekten betreffend Entschädigungen durch Dritte / Retrozessionen.
In diesen Teilaspekten von FIDLEG legt die FINMA Organisations- und Verhaltenspflichten am «Kunden-Interface» fest. Das FINMA-RS 2025/2 ist damit Stückwerk, das in den grösseren Kontext der Organisationspflichten und Verhaltensregeln nach FIDLEG eingebettet werden muss.
Grundsätzlich aber gilt das neue RS für alle Finanzdienstleister nach FIDLEG. Je nach Art der erbrachten Dienstleistungen sind seine Auswirkungen sehr unterschiedlich.
Vor oder spätestens im Zeitpunkt der Erbringung von Anlageberatungsdienstleistungen muss klargestellt sein, ob diese mit Bezug auf ein Portfolio erbracht wird («Anlageberatung im Portfoliokontext»), oder sich bloss auf eine oder mehrere Transaktionen in Finanzinstrumenten («transaktionsbezogene Anlageberatung») bezieht.
Anlageberatungsverträge von Vermögensverwaltern tragen dieser Vorgabe heute meist ausreichend Rechnung – jedenfalls dann, wenn sie sich auf die Musterverträge des führenden Branchenverbands abstützen. Finden abseits von Dauerbeziehungen punktuelle Beratungen statt, dann muss diese «separate» Anlageberatung eigenständig dokumentiert werden.
«Reine» Anlageberater, die persönliche Empfehlungen zum Erwerb, zu Veräusserungen oder zum Halten spezifischer Finanzinstrumente abgeben, sind hier ebenso gefordert, wie eine Vielzahl von Banken, die hier am «Kunden-Interface» die nötige Klarheit noch nicht geschaffen haben.
Die von der FINMA verlangte Klarheit kann sich nur aus einem Vertrag in Textform oder durch eine «dokumentierte Erklärung zum Zeitpunkt der Beratung» (sprich: einem «Beratungsprotokoll») ergeben.
Die mit dem FINMA RS-2025/2 kommunizierte Rechtsauslegung der FINMA ist eine klare Mahnung an Banken und Anlageberater, die ihre Beratungstätigkeit hinsichtlich der Frage, ob diese unter Bezugnahme eines bestimmten Portfolios oder nur mit Bezug einzelner Titelempfehlungen erfolge, im ungefähren gelassen haben. Die Auslegung der FINMA gibt den klaren Willen des Gesetzgebers wieder.
Besondere, spezifische und technische Regeln legt die FINMA für Finanzdienstleistungen vor, deren Objekt (in Verwaltung oder Anlageberatung) «Differenzkontrakte» («Contracts for Differences», «CfD») sind. Anders als EU-Recht wird nicht über teilweise Verbote des Einsatzes reguliert. Es wird spezifisch Kundeninformation verlangt, die auch frühere Verluste und Gewinne der Gesamtheit der Kunden des Vermögensverwalters oder Anlageberaters mit solchen Geschäften zum Gegenstand haben.
Die Regelungen sind sehr technisch. Sie werden deshalb hier nicht näher erläutert.
Klar aber ist, dass die FINMA hier nicht bloss rechtsauslegend agiert, sondern sich zum Gesetzgeber macht. Dies namentlich indem den Finanzdienstleistern, die CfD in Vermögensverwaltung oder Anlageberatung einsetzen, zumindest implizite organisatorische Pflichten auferlegt werden, die im FIDLEG keine ausreichende Grundlage haben.
CfD sind umstrittene Finanzinstrumente, oft an der Nahtstelle von Finanzanlage und Glückspiel. Auch wenn die verschärften Informationspflichten nicht ausreichend durch das Gesetz abgestützt sind, dienen sie dem Ziel des Schutzes von Privatanlegern. Die FINMA gibt denn in der Erläuterungen mehr oder unumwunden zu, damit Reputationsschutz für den hiesigen Finanzplatz zu betreiben.
Es dürfte kaum bestreitbar sein, dass es zu den Kernaufgaben des Vermö-gensverwalters und des im Portfoliokontext tätigen Anlageberaters gehört, das massgebliche Portfolio hinsichtlich «marktunüblichen Risikokonzentrationen» zu überwachen. So weit, so gut. Bezüglich der «Marktunüblichkeit» von Risikokonzentrationen finden sich in der Literatur zur Portfolioverwaltung recht unterschiedliche Ansätze und Lösungsvorschläge. Einer finanzwissenschaftlichen Diskussion verschliesst sich die FINMA allerdings. Sie beruft sich im Erläuterungsbericht auf weitgehend nicht offengelegte «Erkenntnisse». Im Ergebnis legt die FINMA im RS fest, dass
- Konzentrationen von 10% oder mehr in Einzeltiteln; oder
- Konzentrationen von 20% oder mehr bei einzelnen Emittenten, «Hinweise» für marktunübliche Konzentrationen seien.
Dass diese Schwellenwerte arbiträr, bei vielen Anlagestrategien ja sogar völlig unsinnig sind, soll hier nicht weiter diskutiert werden. Es bleibt nur festzu-halten, dass eine Replikation des SMI aus seinen Einzeltiteln zwingendermassen zu «marktunüblichen Konzentrationen» führen muss. Der Autor fühlt sich an die Warnung erinnert, den Pudel nach dem Bad nicht in der Mikrowelle zu trocknen.
Was die «Hinweise» für Vermögensverwalter und Anlageberater in der Praxis bedeuten, lässt sich dem Rundschreiben selbst nicht entnehmen. Der Erläuterungsbericht führt dazu weiter aus, dass die genannten Schwellenwerte für Rechtssicherheit sorgen sollen, bei deren Erreichen eine Risikoaufklärung der Kundinnen und Kunden angezeigt ist.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass – gerade bei der Vermögensverwaltung – eine Risikoaufklärung bei Erreichen solcher Schwellenwerte wenig sinnhaft ist. Schliesslich hat der Vermögensverwalter die Anlagen selbständig und nach eigenem Ermessen zu tätigen. Es muss also Vermögensverwaltern, die Anlagestrategien einsetzen, bei denen es absehbar zu einem Erreichen bzw. Überschreiten der Schwellenwerte kommen kann (allenfalls sogar soll!), ihre Kunden bereits bei der Festlegung der Anlagestrategie (oder sogar davor) darüber aufklären, dass es im zu verwaltenden Portfolio zu Überschreitungen der Schwellenwerte kommen kann bzw. und je nach Anlagestrategie sogar kommen soll.
Die Risiken, über die aufzuklären ist, bestehen darin, dass bei Risikokonzentrationen der Ausfall eines Emittenten zu höheren Verlusten führen kann, als wenn keine solchen Risikokonzentrationen im Depot wären. Das tönt trivial, und ist es auch. Aber Risikoaufklärung muss sich auch mit Trivialem befassen. Während in der Lebensmittel- und in der Gesundheitsbranche «vorsorgliche Überdeklaration von Risiken» zum Normalzustand geworden sind («Kann Spuren von XY enthalten..»), hält diese Verhaltensweise von Anbietern mehr und mehr auch im Finanzsektor Einzug. Es gilt auch hier die Formel: «Ein neue Regelung => eine neue, breit abgestützte Risikoaufklärung».
Es kann damit also Vermögensverwaltern und Anlageberatern nur empfohlen werden, die bestehende Risikoaufklärung zu ergänzen. Die Broschüre «Risiken im Handel mit Finanzinstrumenten», herausgegeben von der Schweiz. Bankiervereinigung» (Fassung 2023), spricht in den allgemeinen Risikohinweisen zwar Konzentrationsrisiken an; allerdings nur in sehr allgemeiner, den neuen Vorgaben der FINMA kaum genügender Weise. Zudem ist – nach Auffassung des Autors – der allgemeine Hinweis, dass es in einem Portfolio zu Risikokonzentrationen kommen kann, auch deshalb nicht genügend, weil üblicherweise mit den Kunden vereinbarte Anlagestrategien das Thema möglicher Risikokonzentrationen gar nicht adressieren. Nur weil der Kunde in allgemeiner Form vor Risikokonzentrationen gewarnt wird, lässt sich daraus nicht ab-leiten, dass der Anlageberater (bei der Beratung im Portfoliokontext) und der Vermögensverwalter bei ihrer Tätigkeit marktunübliche Risikokonzentrationen überhaupt eingehen bzw. empfehlen dürfen.
Nach Auffassung des Autors hängt die Antwort darauf von der konkreten Vertragsgestaltung ab. Sind in Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsverträgen die vertraglichen Pflichten einschliesslich der Festlegung der Anlagestrategie mit den Definitionen von einzusetzenden Finanzinstrumenten und der einzusetzenden Anlagetechniken untrennbar miteinander verzahnt, so wird eine Neufassung der Vereinbarung zur Anlagetätigkeit (und damit der Anlagestrategie) mit jedem Kunden unumgänglich sein.
Sind dagegen die angebotenen Dienstleistungen, einschliesslich einer allgemeinen Darstellung der angebotenen Anlagestrategien und -techniken, in einem separaten Dokument beschrieben (z.B. eine Kundeninformationsbroschüre – oft nur als Anhang zu den Anlageberatungs- oder Vermögensverwaltungsverträgen), so wird es ausreichen, das Thema «marktunübliche Risikokonzentrationen» in einer Neufassung dieses Dokuments zu adressieren die entsprechenden, hauseigenen Regeln des Vermögensverwalters in dieser Frage klar und unmissverständlich den Kunden zu kommunizieren.
Es geht hier nicht darum, dass marktunübliche Risikokonzentrationen ungesetzlich oder per se vertragswidrig wären. Die FINMA verlangt, wie sie im Erläuterungsbericht selbst ausführt, «nur» mehr und bessere Transparenz in dieser Frage.
Die Empfehlung ist daher klar: Anlageberater und Vermögensverwalter sollten schnellstmöglich überprüfen, ob und inwieweit ihre kundenseitigen Dokumente anzupassen sind (siehe dazu auch nachfolgend die Ausführungen zur Übergangsfrist).
Die FINMA schafft Klarheit dazu, dass Erkundigungspflichten des Finanzdienstleisters bezüglich Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden nicht auf einzelne Kategorien von Finanzinstrumenten beschränkt ist. Die Erkundigungspflicht bei der Vermögensverwaltung und der portfoliobezogenen Anlageberatung umfasst auch die einzusetzenden Anlagestrategien und Anlagetechniken.
Wenn Vermögensverwalter und Anlageberater also nicht bloss buy-and-hold-Strategien einsetzen wollen, sondern Soll-Positionen, allenfalls gar Hebelwirkungen auf das relevante Portfolio eingehen wollen, oder Anlagetechniken mit hoher Handelsfrequenz einsetzen (diese Aufzählung ist beispielhaft), müssen auch die entsprechenden Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden mit solchen Anlagetechniken erfragt werden. Je nach Auskunft des Kunden bedarf es dann ergänzender Risikoaufklärung. Diese dürfte mit der Abgabe der Broschüre «Risiken im Handel mit Finanzinstrumenten», herausgegeben von der Schweiz. Bankiervereinigung» (Fassung 2023), nicht ausreichend zu erfüllen sein. Die Risikoaufklärung muss in solchen Fällen spezifischer sein.
Es kann festgehalten werden, dass die von Vermögensverwaltern und Anlageberatern eingesetzten Fragebogen zu den Kenntnissen und Erfahrungen ihrer Kunden sehr oft Thematiken wie «Anlagen auf Kredit», «Anlagetätigkeit mit hoher Handelsfrequenz», «Long Short-Strategien» nicht abdecken. In den meisten Fällen setzen diese Finanzdienstleister solche Anlagetechniken auch gar nicht ein. Wenn doch, müssten die entsprechenden Fragebogen ergänzt und mit der Erfragung von Kenntnissen und Erfahrungen der Kunden erneuert werden.
Die bei ungenügenden Kenntnissen und Erfahrungen der Kunden notwendig werdende Risikoaufklärung muss z.Zt. auf individueller Basis erfolgen. Standardisierte Risikoaufklärungsdokumente, welche diese Punkte abdecken, gibt es derzeit auf dem schweizerischen Markt nicht.
Unter dem Gesichtspunkt des Managements von Interessenkonflikten versucht die FINMA das Thema «eigene Finanzinstrumente» von Finanzdienstleistern anzugehen. Das Rundschreiben selbst kommt eher harmlos daher. Die Erläuterungen enthalten dazu «mehr Masse».
Vorab muss natürlich geklärt sein, was denn als «eigenes Finanzinstrument» gilt. Der Text des Rundschreiben schweigt dazu.
In den Erläuterungen macht die FINMA («versteckt» in einer Fussnote) jedoch erstmals klar und unmissverständlich nähere Ausführungen dazu, was für sie als «eigenes Finanzinstrument» gilt. Diese Festlegung verdient es, hier wörtlich wiedergegeben zu werden:
«Mit eigenen Finanzinstrumenten sind vorliegend neben vom Finanzdienstleister oder einer Konzerngesellschaft des Finanzdienstleisters ausgegebenen Finanzinstrumenten insb. auch von Dritten emittierte oder angebotene Finanzinstrumente gemeint, zu denen der Finanzdienstleister wirtschaftliche Bindungen aufweist (z.B. selbstverwaltete Produkte, Private/White-Label-Produkte, Produkte mit dem Finanzdienstleister als Garant). Wirtschaftliche Bindungen zu Dritten bestehen nicht nur bei einer massgeblichen Beteiligung und in Bezug auf Konzerngesellschaften (vgl. Art. 10 Abs. 3 FIDLEV; Erläuterungen zur FIDLEV, S. 25 [„gelten Konzerngesellschaften als Dritte“]), mit Verweis auf BGE 138 III 755, S. 773 ff.). Sie können sich auch aus Vertragsbeziehungen (z.B. Vertriebsverträgen) oder persönlichen Beziehungen von Gewährsträgern des Finanzdienstleisters mit Dritten ergeben…»
Leider schafft auch diese «Definition» nicht die Klarheit, die Vermögensverwalter und Anlageberater aus dem Nicht-Banken-Bereich benötigen. Dies namentlich dann nicht, wenn sie zur Verbesserung ihres Dienstleistungsangebots mit von ihnen rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Emittenten zusammenarbeiten, und diese Emittenten Finanzprodukte ausgeben, deren «Inhalt» von Ideen, Überlegungen, Markteinschätzungen des Vermögensverwalters oder Anlageberaters geprägt sind.
Die «eigentliche Sichtweise» der FINMA erschliesst sich hier erst bei der Lektüre des Anhörungsberichts (d.h. dem Bericht der FINMA über die im Rahmen der Anhörung eingegangenen Stellungnahmen). Da wird die FINMA dann sehr, sehr klar: Ein Finanzinstrument ist ein eigenes, «falls ein Teil der Wertschöpfungskette durch den Finanzdienstleister umgesetzt wird.».
Zwar äussert die FINMA dies nicht ausdrücklich, aber die Haltung des Regulierers dürfte klar sein: Wenn ein Vermögensverwalter oder Anlageberater von einem Emittenten (direkt oder indirekt) im Zusammenhang mit einem Finanzprodukt für andere Leistungen entschädigt wird als den blossen Absatz des Produkts, dann liegt ein eigenes Produkt vor.
Damit ist auch klargestellt, dass nicht nur die Vermögensverwaltung oder Anlageberatung für kollektive Kapitalanlagen diese zum «eigenen Finanzinstrument» des Vermögensverwalters oder Anlageberaters macht. Auch «AMC» (Actively Managed Certificates») fallen darunter, aber auch andere strukturierte Anleihen, deren «Inhalt» (z.B. Underlyings) vom Vermögensverwalter oder Anlageberater in nicht unerheblichem Umfang «mitgestaltet» (z.B. bei der inhaltlichen Mitgestaltung eines «Baskets» von Finanzinstrumenten, die den Risikoverlauf einer strukturierten Anleihe prägen) werden.
Diese Auslegung des Gesetzes durch die FINMA ist sehr extensiv. Nach Auffassung des Autors dürfte sie aber durch das Gesetz «gerade noch» gedeckt sein.
An den Einsatz von «eigenen Finanzinstrumenten» in Anlageberatung und Vermögensverwaltung knüpft die FINMA Folgen in zwei Bereichen an: Einerseits organisatorische Pflichten im Umgang mit Interessenkonflikten an, andererseits Informationspflichten gegenüber den Kunden.
Bei den Organisationspflichten hält die FINMA am gesetzlich verankerten Grundsatz fest, dass Finanzdienstleister bei Interessenkonflikten alle möglichen organisatorischen Massnahmen zu deren Vermeidung oder Eindämmung der Interessenkonflikte zu treffen haben, und die Aufklärung der Kunden darüber solche Massnahmen nicht obsolet machen. Finanzdienstleister haben hier keine Wahl. Nur Interessenkonflikte, die nicht vermeidbar sind, dürfen sie ausschliesslich mittels Aufklärung der Kunden «abarbeiten».
Setzt ein Finanzdienstleister ausschliesslich eigene Finanzinstrumente ein, so sind die Interessenkonflikte unvermeidbar. Die Aufklärung der Kunden genügt hier. Bietet ein Finanzdienstleister aber sowohl eigene wie auch von Dritten ausgegebene Finanzinstrumente an oder setzt solche in der diskretionären Vermögensverwaltung ein, so muss er geeignete organisatorische Massnahmen zur Vermeidung bzw. Eindämmung von Interessenkonflikten treffen. Das Ziel dieser Massnahmen muss sein, dass er sich bei der Auswahl von Finanzinstrumenten nicht zum Nachteil der Kunden von eigenen (primär ertragsgetriebenen) Interessen leiten lässt. Entsprechend erwartet die FINMA von diesen Finanzinstituten einen definierten Selektionsprozess zur Produkteauswahl mit branchenüblichen objektiven Parametern (Performance-Erwartung, Übereinstimmung mit Risikoprofil, gewünschte Diversifikation, Kosten usw.). Im Erläuterungsbericht hält die FINMA zudem ausdrücklich fest, dass die Vergütungssysteme von Vermögensverwaltern keine Anreize durch eigene Finanzinstrumente begünstigt. Die Provisionierung oder vergleichbare finanzielle Begünstigung von Mitarbeitenden darf und soll beim Einsatz eigener Finanzinstrumente nicht günstiger ausfallen, als beim Einsatz gleichwertiger Drittinstrumente. «Double Dipping» wird nicht untersagt. Daraus resultierende Anreizmodelle in den Vergütungssystemen können jedoch nicht mehr «bloss» über Offenlegung gegenüber den Kunden «erledigt» werden, sondern sind durch organisatorische Massnahmen zu entschärfen.
Vermögensverwalter und Anlageberater werden ihre bestehenden Prozesse (einschliesslich ihrer Salärmodelle) in diesem Bereich überprüfen und wohl in vielen Fällen stringenter und robuster gestalten müssen.
Auch beim Selektionsprozess von Finanzinstrumenten im Spannungsfeld zwischen eigenen und fremden Produkten sind Vermögensverwalter und Anlageberater bei der Organisation ihrer Unternehmen gefordert: Der Erläuterungsbericht legt dabei als Grundsatz fest, dass «eine funktionale, personelle und informationelle Trennung zwischen den für die Erstellung oder Verwaltung der Finanzinstrumente und den für den Vertrieb zuständigen Betriebseinheiten» geschaffen werden muss.
Von diesem Grundsatz müssen dann Ausnahmen möglich sein, wenn die geringe Unternehmensgrösse und die von der FINMA (insbesondere im Rahmen von zeitlich nicht lange zurückliegenden Bewilligungsverfahren) genehmigte Betriebsorganisation keine solche Funktionentrennung erlauben. Das neue Rundschreiben darf nicht zu einer Aushebelung der Organisationsanforderungen in anderen Aufsichtsgesetzen, insbesondere des FINIG führen.
Auch eine sachgerechte Organisation entbindet nicht davor, die Kunden angemessen und ausreichend über Interessenkonflikte bei der Auswahl und Empfehlung von Finanzinstrumenten zu informieren. Werden eigene und fremde Finanzinstrumente eingesetzt, so präzisiert die FINMA im neuen Rundschreiben die Informationspflichten im Erläuterungsbericht zum neuen Rundschreiben wie folgt:
Finanzdienstleister müssen Kundinnen und Kunden wirtschaftliche Bindungen und das bei der Auswahl von Finanzinstrumenten berücksichtigte Marktangebot so offenlegen, dass diese gestützt darauf einen informierten Entscheid treffen können, ob sie die Dienstleistungen des Finanzdienstleisters trotz der damit verbundenen Interessenkonflikte in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Allgemeine Aussagen, wonach Finanzdienstleister bei ihren Finanzdienstleistungen sowohl eigene wie auch fremde Finanzinstrumente berücksichtigen, genügen diesen Anforderungen nicht.
Vermögensverwalter und Anlageberater, die Securities Lending als Anlagetechnik einsetzen, müssen ihre Kunden über diese genauer aufklären. Die Vorgaben der FINMA sind sehr detailliert. Es gibt wenig Spielraum.
Es wird auf die Ausführungen unter Angemessenheits- und Eignungsprüfung – Anlagestrategien und Anlagetechniken weiter oben verwiesen.
Auch bei der Information über zukünftig mutmasslich von Finanzdienstleistern zu vereinnahmende Entschädigungen durch Dritte / Retrozessionen verlangt die FINMA Änderungen an den standardisierten Kundeninformationen.
Sind die Angaben zu den Entschädigungen durch Dritte / Retrozessionen (insb. Beträge/Prozentzahlen oder Bandbreiten) in standardisierten, insbesondere als Formularverträge ausgestalteten Basisvertragsunterlagen, müssen die Angaben optisch hervorgehoben werden. Damit soll die Kenntnisnahme der Kunden erleichtert werden.
Auch in diesem Bereich werden die Finanzdienstleister ihre Kundeninformationsdokumente anpassen müssen. Dies gilt namentlich, aber nicht nur dann, wenn die entsprechenden Kundeninformationsdokumente als Anhänge zu standardisierten Vermögensverwaltungs- und Anlageberatungsverträge ausgestaltet sind.
Die Regelung der FINMA ist einigermassen arbiträr. Sie findet im Zivilrecht mit Sicherheit keine Stütze. Auch das FIDLEG bietet keine ausreichende gesetzliche Grundläge dafür, dass bei der Vielfalt an wichtiger Information, die Finanzdienstleister ihren Kunden vermitteln müssen, ausgerechnet diejenige über Entschädigungen durch Dritte einen derart höheren Stellenwert als andere haben soll. Am Ende wird alles in fetten Lettern gedruckt werden müssen.
Vermögensverwalter und Anlageberater sollten ihren Handlungsbedarf anhand des oben Dargelegten überprüfen. In nicht wenigen Fällen werden die Vorgaben der FINMA zu einem zumindest teilweisen Re-Papering bei den Kundenbeziehungen führen. Im einfachen Fall sind die Kundeninformationsdokumente in überarbeiteter Fassung den Kunden zu kommunizieren, in komplexeren Situation werden Teile der Kundendokumentation (z.B. Fragebogen betreffend Kenntnisse und Erfahrung) oder gar Vermögensverwaltungs- und Anlageberatungsverträge flächendeckend zu erneuern sein.
Die FINMA macht hier Druck, weil sie – wie den Erläuterungen zum neuen Rundschreiben klar und unmissverständlich zu entnehmen ist – «die zur Aufklärung über Interessenkonflikte verwendeten Merkblätter und Vertragsdokumentationen zu Interessenkonflikten der Finanzdienstleister» für sehr oft «generisch oder unvollständig» einstuft. Die Erwartung des Regulierers hier ist klar: Die bisherigen Kundeninformationen (insbesondere zu den Interessenkollision) werden in vielen Fällen als nicht zureichend eingestuft. Finanzdienstleister müssen in der Lage sein, hier Verbesserungen in einem klaren und rasch umzusetzenden Prozess vorzunehmen. Kundeninformation ist nicht etwas Statisches, dass bei Eingehung der Geschäftsbeziehung einmalig erfolgt (und dann vergessen wird), sondern eine Thema, dass stets aktuell zu halten ist. Das entspricht der Intention des Gesetzgebers.
Und vielleicht ist ganz einfach die Auffassung falsch, dass Kundeninformationsdokumente als allerletzten (kaum gelesenen) Anhang an einen Vermögensverwaltungs- oder Anlageberatungsvertrag angehängt werden können und es damit sein Bewenden hat. Das wird der zentralen Bedeutung der Kundeninformation im FIDLEG ganz einfach nicht gerecht.
Die Erwartungen der FINMA auf der Zeitschiene sind anspruchsvoll. Sie erwartet, dass die Vorgaben des neuen Rundschreibens bis zum 30. Juni 2025 umgesetzt sind. Das dürfte bei der flächendeckenden Abgabe von Kundeninformationsdokumenten realistisch sein, bei der vollständigen Erneuerung der gesamten Kundendokumentation einschliesslich der Anlageberatungs- und Vermögensverwaltungsverträge kaum.
In der deutschen Sprachversion benutzt das FINMA-RS 2025/2 über weite Teile das generische Maskulinum. Neue, kaum verständliche Begriffe wie «Teilhabende, die sich über den Kapitalmarkt finanzieren» bleiben die Ausnahme. Das Verharren in «traditioneller» Sprache erhöht die Lesbarkeit. Die von der FINMA benutzte Sprache ist ohnehin nicht durch hohe Verständlichkeit geprägt. Würde zusätzlich noch inklusive Sprache verwendet, wäre es mit der Verständlichkeit komplett vorbei.
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