MDR Meldepflicht PRRC

Pharma und Healthcare

MDR Melderecht oder Meldepflicht: Wie soll sich die Verantwortliche Person (PRRC) verhalten?

Die Verantwortliche Person nimmt eine wichtige Funktion im Meldewesen ein (Vigilanz). Sie ist dafür verantwortlich, dass der Hersteller die ihm obliegenden Meldepflichten erfüllt. Darüber hinaus ist sie berechtigt, nicht der Meldepflicht unterliegende Vorfälle der Behörde zur Kenntnis zu bringen. Die Meldepflicht steht im Spannungsverhältnis zu den Treue- und Geheimhaltungspflichten gegenüber dem Unternehmen. Bei Verletzung drohen arbeits- oder strafrechtliche Sanktionen. Nachfolgend zeigen wir Ihnen, wie dieser Zielkonflikt zu lösen ist.

24.09.2021 Matthias Stauffacher  •   Dr. Christoph Willi, LL.M.

Hersteller sind verpflichtet, unerwünschte Wirkungen und Vorkommnisse zu melden. Der Meldepflicht unterliegen alle Vorkommnisse, welche auf das Medizinprodukt oder seine Anwendung zurückzuführen sind und die Gesundheit von Dritten gefährden oder beeinträchtigen könnten. Von der Meldepflicht ausgenommen sind Nebenwirkungen, die in den Produktinformationen eindeutig dokumentiert, in der technischen Dokumentation quantifiziert und in den Trendmeldungen aufgeführt sind. Zusätzlich sind Hersteller zur Meldung von Qualitätsmängel sowie weiteren Erkenntnissen und Bewertungen verpflichtet, welche die Beurteilungsgrundlagen beeinflussen können. Gegenüber den Schweizer Behörden ist die Meldepflicht auf schwerwiegende Vorkommnisse beschränkt, die sich in der Schweiz zugetragen haben. Von der Meldepflicht ausgenommen sind Vorkommnisse, die sich im Ausland zugetragen haben. Die Meldung hat nach den anerkannten Regeln der Guten Vigilance-Praxis zu erfolgen.

Die Frist für die Erfüllung der Meldepflicht ist abhängig von der Schwere des Vorkommnisses:

  • Droht für die öffentliche Gesundheit eine schwerwiegende Gefahr, muss die Meldung innert 2 Tagen nach Kenntnisnahme der Gefahr erfolgen.
  • Schwerwiegende Vorkommnisse sind innert 15 Tagen zu melden, nachdem der Hersteller Kenntnis vom Vorkommnis erhalten oder einen möglichen Kausalzusammenhang zwischen dem Vorkommnis und dem Produkt festgestellt hat.

Um die Frist für die Erfüllung der Meldepflicht zu wahren, kann sich der Hersteller auf eine vorläufige Meldung beschränken und eine vollständige Meldung später folgen lassen. Dasselbe gilt, falls Unsicherheiten bestehen, ob überhaupt ein meldepflichtiger Sachverhalt vorliegt.

Bei ausländischen Herstellern obliegt die Verantwortung für die Meldung dem schweizerischen Bevollmächtigten. Wer die Meldung vornimmt, ist unerheblich; sie kann durch den Hersteller oder durch den Bevollmächtigten erfolgen. Das Vorgehen und die Zuständigkeiten für die Erfüllung der Meldepflicht sind im Mandatsvertrag zwischen dem Hersteller und dem Bevollmächtigten zu regeln.

Rolle der Verantwortlichen Person

Für die Erfüllung der Meldepflichten ist die Verantwortliche Person zuständig. Eine Verletzung der Meldepflicht kann strafrechtlich sanktioniert werden. Auch die fahrlässige Unterlassung einer Meldung ist strafbar. Damit genügt es, dass die Verantwortliche Person eine Meldung unterliess, obwohl sie aufgrund ihrer Erfahrung hätte erkennen können, dass ein meldepflichtiger Sachverhalt vorliegt.

Die Meldepflichten sind nicht auf schwerwiegende Vorkommnisse beschränkt. Vielmehr ist die Verantwortliche Person zur Meldung von "Wahrnehmungen" berechtigt, die auf eine Zuwiderhandlung gegen die heilmittelrechtlichen Bestimmungen "schliessen lassen". Das Melderecht soll es der Verantwortlichen Person erlauben, sich direkt an die Behörden zu wenden - ohne vorgängig den Arbeitgeber kontaktieren zu müssen. Freiwillige Meldungen sollen von der Behörde vertraulich behandelt und ihr Urheber gegenüber dem Arbeitgeber nicht offengelegt werden.

Geheimhaltungspflicht

Die Verantwortliche Person ist zur Treue gegenüber dem Hersteller oder dem Bevollmächtigten verpflichtet. Die Treuepflicht gilt unabhängig davon, ob die Verantwortliche Person als Arbeits- oder als Auftragsnehmerin tätig ist. Sowohl das Arbeits- als auch das Auftragsrecht verpflichten die Verantwortliche Person dazu, die Interessen des Geschäftsherrn zu wahren und alles zu unterlassen, was diesem wirtschaftlich schaden könnte. Die Treuepflicht umfasst auch die Pflicht zur Geheimhaltung. Vertraulich zu behandeln und gegenüber Dritten nicht zu offenbaren sind alle Informationen, die weder offenkundig noch allgemein zugänglich sind, an deren Geheimhaltung der Geschäftsherr aber ein berechtigtes Interesse hat.

Ob auch Straftaten und Verstösse gegen Verwaltungsvorschriften der Geheimhaltungspflicht unterliegen, ist rechtlich umstritten. Im Zeitpunkt der Offenbarung besteht aber kaum je eine gesicherte Kenntnis, ob eine Information ein rechtswidriges oder gar strafbares Verhalten betrifft. Die Meldung von einem vermeintlich rechtswidrigen Verhalten ist deshalb immer mit einem erheblichen Risiko behaftet, dass sich dieses im Rahmen einer Untersuchung als rechtmässig erweist – und die Verantwortliche Person sich mit dem Vorwurf konfrontiert sieht, ihre Treue- und Geheimhaltungspflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt zu haben. Aber auch die unberechtigte Offenbarung von Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen kann strafrechtlich geahndet werden.

Meldepflicht oder Melderecht?

Zwischen den heilmittelrechtlichen Meldepflichten und den arbeits- oder auftragsrechtlichen Treuepflichten sowie dem strafrechtlichen Schutz von Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnissen besteht ein Zielkonflikt. Unterlässt die Verantwortliche Person die gesetzlich gebotene Meldung, so macht sie sich strafbar. Strafbar macht sich die Verantwortliche Person aber auch im umgekehrten Fall, wenn sie einen Sachverhalt meldet, der nicht meldepflichtig ist. Aufgrund der gesetzlich nicht gebotenen Meldung verletzt die Verantwortliche Person Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnisse des Unternehmens.

Vor diesem Hintergrund stellt die korrekte Erfüllung der Meldepflicht eine grosse Herausforderung dar: Aufgrund des grossen Zeitdruckes, den beschränkt verfügbaren Informationen und der Wertungsbedürftigkeit des Sachverhaltes lässt sich kaum je mit ausreichender Gewissheit beurteilen, ob eine Meldepflicht überhaupt besteht. Wartet die Verantwortliche Person zu lange, verletzt sie ihre Meldepflichten ebenfalls.

Kein Schutz vor Nachteilen

Zwar soll die Verantwortliche Person keinerlei Nachteile erleiden, wenn sie ihre Pflichten korrekt erfüllt. Damit ist die Verantwortliche Person aber nur geschützt, soweit die Meldung
oder ihre Unterlassung objektiv begründet war. Ob eine Meldepflicht aber überhaupt bestand, lässt sich erst im Nachhinein beurteilen. Die Bestimmung ist deshalb nicht geeignet, die Unsicherheit zu beheben, die im Zeitpunkt der Handlung oder Unterlassung bestand.

Der Schutz vor Nachteilen ist aber auch deshalb ungenügend, als eine Kündigung in der Schweiz nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Auch gerichtlich kann eine Wiedereinstellung nicht erzwungen werden - selbst wenn sich die Meldung als begründet erweisen sollte. Angesichts der geschuldeten Wiedergutmachung von maximal 6 Monatslöhnen ist die Verantwortliche Person vor Nachteilen nicht ausreichend geschützt, selbst wenn sie sich korrekt verhalten hat.

Umso wichtiger ist es, die Verantwortliche Person vor Sanktionen zu schützen, falls sich später herausstellen sollte, dass die Meldung rechtlich nicht erforderlich war.

Was ist zu tun?

Zwischen den gesetzlichen Meldepflichten und den arbeitsrechtlichen Treue- und Geheimhaltungspflichten besteht ein Spannungsverhältnis. Zur Lösung dieses Zielkonfliktes müssen Unternehmen und die Verantwortliche Person das Vorgehen in gemeinsamer Absprache klären und die vereinbarten Abläufe in detaillierten Arbeitsanweisungen ausformulieren. Zum Schutz der Verantwortlichen Person kann die Haftung für die Verletzung von Sorgfaltspflichten eingeschränkt und auf Vorsatz bzw. grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden. Die persönliche Haftung der Verantwortlichen Person kann auch betragsmässig eingeschränkt werden, beispielsweise auf einen bestimmten Maximalbetrag oder in Abhängigkeit des Jahreslohnes. Durch diese arbeitsvertraglichen Massnahmen kann die Stellung der Verantwortlichen Person gestärkt und die Unabhängigkeit in der Ausübung ihrer Tätigkeit verbessert werden. Letztlich liegt dies im eigenen Interesse des Unternehmens.

Zivil- und strafrechtliche Haftung

Wenn Sie mehr zum Thema wissen möchten, informieren wir Sie gerne auch zur zivil- und strafrechtlichen Haftung der Verantwortlichen Person und welche Massnahmen zu ergreifen sind, um das Risiko dieser Tätigkeit zu reduzieren. Unsere Empfehlungen sind unverbindlich und für Sie kostenlos.

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